Agri-PV in der Praxis: Rechtliche und technische Einblicke am Beispiel Oberndorf am Lech
Photovoltaik und Landwirtschaft im Einklang – wie das geht, zeigt das derzeit größte Agri-PV-Projekt mit nachgeführten Systemen Deutschlands in Oberndorf am Lech. Im Rahmen eines Webinars in Kooperation mit der renommierten Kanzlei Taylor Wessing, vertreten durch Dr. Julia Wulff und Dr. Christian Ertl, wurden rechtliche Grundlagen und technische Details anhand dieses Vorzeigeprojekts beleuchtet. Ziel: Orientierung für Projektierer, Kommunen und Landwirte auf dem Weg zur erfolgreichen Umsetzung von Agri-Photovoltaik (Agri-PV).
1. Rechtlicher Rahmen: Agri-PV zwischen Planungsebenen und Privilegierung
Zentral für jedes Agri-PV-Projekt sind die planungsrechtlichen Voraussetzungen – ein komplexes Geflecht aus vier Ebenen:
- Landesentwicklungsplan
- Regionalplan
- Flächennutzungsplan
- Bebauungsplan
Die Praxis zeigt: Ausschlaggebend ist meist die unterste Ebene, wo unter bestimmten Voraussetzungen auch baurechtliche Privilegierungen greifen können. Zwei gesetzliche Änderungen des Baugesetzbuchs (BauGB) im Jahr 2023 haben hier neue Spielräume geschaffen:
- BauGB-Novelle I/2023: Privilegierung für Freiflächenanlagen entlang von Autobahnen oder zweigleisigen Bahnstrecken (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 lit. b BauGB).
- BauGB-Novelle II/2023: Privilegierung für Agri-PV-Anlagen bis zu einer Größe von 2,5 ha (§ 35 Abs. 1 Nr. 9 BauGB).
Größere Anlagen, wie in Oberndorf, benötigen weiterhin einen Bebauungsplan und müssen zugleich die technische Norm DIN SPEC 91434 erfüllen.
Netzanschlussrechtlich genießen Agri-PV-Projekte, wie alle Erneuerbaren Energien gemäß Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) Priorität: Sie sind bevorzugt ans Netz anzuschließen – ein wichtiger Beschleunigungsfaktor.
2. Technischer Nutzen & landwirtschaftlicher Mehrwert: Erkenntnisse aus der Praxis
Unser Unternehmen Feldwerke, Projektträger in Oberndorf, verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Anforderungen aus Landwirtschaft und Energiewirtschaft. Die Vorteile von Agri-PV sind vielschichtig:
- Landwirtschaftliche Nutzbarkeit bleibt zu 85 % erhalten – zentrale Voraussetzung für steuerliche und erbrechtliche Privilegierungen.
- Ertragsvorteile: Durch zusätzliche Verschattung werden landwirtschaftliche Erträge geschützt und in einigen Fällen sogar verbessert. Beispielsweise wurde auf einer 2-P-Tracker-Agri-PV Fläche in Althegenenberg oder auf der Agri-PV Anlage in Grub (Poing) ein Ertrag von 110% erzielt, im Vergleich zu einer Referenzfläche ohne Module.
- Stromproduktion: Tracker Agri-PV-Anlagen mit nachgeführtem System bieten bis zu 20–30 % mehr Vollaststunden als klassische Freiflächen-PV. Durch die nachgeführte Neigung der Module von Ost nach West entsteht ein gleichmäßiges Einspeiseprofil: Die Module folgen dem Sonnenverlauf und speisen so netzdienlich von morgens bis abends kontinuierlich Strom ein.
- Förderfähigkeit: Die EEG-Förderung ist unabhängig vom Standort für Agri-PV.
- Technisches Design: Durch individuell angepasste Vorgewende und Reihenabstände von bis zu 13,5 Metern bleibt die landwirtschaftliche Bearbeitung optimal gewährleistet. Sämtliche Maße werden dabei exakt auf den Maschinenpark des jeweiligen Landwirts abgestimmt, sofern die Bearbeitung
- Biodiversität: 1-2m breite Biodiversitätsstreifen fördern ökologische Vielfalt.
3. Das Praxisbeispiel: Agri-PV Oberndorf am Lech
In der Gemeinde Oberndorf am Lech im Landkreis Donau-Ries entsteht aktuell das größte Agri-PV-Projekt Deutschlands. Es steht beispielhaft für die erfolgreiche Umsetzung großer Anlagen im Einklang mit Landwirtschaft, Klimazielen und kommunaler Entwicklung.
Eckdaten:
- Leistung: 16,75 MWp
- Fläche: ca. 28 Hektar
- Netzanschluss: 20-kV-Anbindung an Sammelschiene eines Umspannwerks
- Technologie: 2P-Tracker-System von Schletter
- Vollaststunden: 1.384 kWh/kWp (Bankfähiges Gutachten)
Flächennutzung:
- 92 % landwirtschaftlich, 8 % energiewirtschaftlich
- Fruchtfolge: Kleegras, Winterweizen, Dinkel, Sommergetreide, Zwischenfrüchte
4. Standortanalyse und Genehmigung: Klar strukturiert und lokal unterstützt
Das Projektgebiet erfüllt zentrale Anforderungen:
- Keine Schutzgebiete betroffen
- Nord-Süd-Ausrichtung vorhanden
- Netzanschluss innerhalb 5 km erreichbar
- Schlaggröße größer 10ha
Besonders hervorzuheben ist der politische Rückhalt: Der Gemeinderat Oberndorf beschloss einstimmig (11:0 Stimmen) die Aufstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans.
5. Welche Gutachten können erforderlich sein?
Für die Genehmigung können je nach Größe und Standort folgende Fachgutachten notwendig sein. Für Oberndorf am Lech wurden die folgenden Gutachten erstellt:
- Blendgutachten
- Brandschutzkonzept
- Bodengutachten
- Kampfmittelräumung
- Artenkartierung
- Ertragsgutachten
Angesichts der Vielzahl technischer, naturschutzfachlicher und genehmigungsrechtlicher Anforderungen ist eine strukturierte und erfahrene Projektabwicklung entscheidend. Als Feldwerke Solar GmbH begleiten wir den gesamten Prozess professionell und entlasten Projektpartner wie Kommunen, Behörden und Flächeneigentümer durch unsere umfassende Expertise.
Fazit: Agri-PV als Zukunftsmodell für nachhaltige Flächennutzung
Das Projekt in Oberndorf zeigt eindrucksvoll, wie Photovoltaik und Landwirtschaft synergetisch zusammenwirken können. Mit klarem Rechtsrahmen, kommunalem Rückhalt und intelligenter Technik entsteht hier ein Leuchtturmprojekt der Energiewende – skalierbar, wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll.